Ab 1. Januar 2018 tritt das Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft. Bislang steht es noch in den Sternen, wie stark es die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung voranbringt. Die Unternehmensberatung Willis Towers Watson hat eine Schätzung versucht.
Künftig könnten rund 65 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland über eine betriebliche Altersversorgung verfügen. Bislang sind es nach Angaben der Unternehmensberatung nur 40 Prozent. Rechnet man die ergänzende Versorgung im öffentlichen Dienst mit hinzu, ist der Anteil höher.
Zurückhaltung unter den Lebensversicherern
Zurückhaltend reagieren derzeit auch die Versicherer. Auf der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht 2017, bis 2016 auch unter dem Titel „Solvency-II-Tagung“ bekannt, wurde vergleichsweise wenig Begeisterung in der Assekuranz für das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) konstatiert. Frank Grund, Exekutivdirektor der Bundesanstalt für Versicherungsaufsicht (BaFin) und Deutschlands oberster Versicherungsaufseher, gab auf der Konferenz bekannt, dass die BaFin mit einer einstelligen Zahl von Unternehmen dazu bislang Gespräche geführt hat. Sein Eindruck: Zumindest kurzfristig würden sich nicht viele auf den Weg machen. Grund bedauerte diese Zurückhaltung. Er wisse, wie wichtig es sei, dass dieses Anschubprojekt für die bAV ab 2018 zum Erfolg wird.
Nur wenige Anbieter haben bislang Engagement bekundet
Nach den Beobachtungen des Branchendienstes Leiter-bAV sind derzeit nur zwei Akteure aus der LV-Landschaft aufgefallen, die sich im Sozialpartnermodell engagieren wollen: Die Zurich über die Deutsche Pensionsfonds AG und das Rentenwerk. In Letzterem haben sich fünf Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit in einem Konsortium zusammengeschlossen. Das Rentenwerk organisiert bereits öffentliche Veranstaltungen, um mit den Tarifparteien ins Gespräch zu kommen. Unter den Pensionskassen haben nach Angaben des Branchendienstes bisher der BVV und die Hoechster Pensionskasse öffentlich bekundet, dass sie als Anbieter beim Sozialpartnermodell mitmischen wollen.
Die Befragung von Towers Watson lieferte noch eine weitere interessante Information. Danach wird wahrscheinlich nur ein Viertel der nicht tarifgebundenen Unternehmen einem Sozialpartnermodell beitreten. Das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz verfolgt aber das Ziel, vor allem die Verbreitung der bAV in klein- und mittelständischen Unternehmen zu verbessern. Diese sind aber in der Regel nicht tarifgebunden. Tritt die Prognose aus der Umfrage ein, dann sind dem Ausbau der bAV über die reine Beitragszusage schon einmal enge Grenzen gesetzt.
Neue Chancen für Opting-out-Modelle
Dabei böte eine ausgebaute betriebliche Altersversorgung gute Chancen, die Alterssicherung in Deutschland spürbar zu verbessern. „Im internationalen Vergleich liegt das deutsche Altersversorgungssystem nur im unteren Mittelfeld“, erklärt Dr. Thomas Jaspers, Leiter bAV-Beratung bei Willis Towers Watson Deutschland. So rangiert die Lohnersatzrate deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Jasper macht eine Rechnung auf: „Investieren Unternehmen für durchschnittliche Arbeitnehmer nur vier Prozent der jeweiligen jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in die bAV, kann – je nach Verzinsung der Beiträge – die Lohnersatzrate um bis zu 19 Prozentpunkte und damit über OECD-Durchschnitt steigen.“
Das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz bringt nach Jaspers Einschätzung auch einen großen Fortschritt bei der Einführung von rechtssicheren Opting-out-Modellen. Mit deren Hilfe werden Arbeitnehmer automatisch in die betriebliche Altersversorgung einbezogen, es sei denn, sie widersprechen ausdrücklich. Gerade Opting-out-Modelle werden der Willis Towers Watson-Umfrage zufolge künftig stark genutzt werden: entweder als tarifvertraglich flankierte Gestaltungsoption für Betriebspartner (59 Prozent Zustimmung) oder als tarifvertraglich geregelte Gestaltungspflicht für die Betriebspartner (28 Prozent Zustimmung).