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Armut oder Reichtum – eine Frage des Maßstabs

Die Gradmesser für den Wohlstand einer Nation wie die Verteilung von Armut oder Reichtum lassen sich in Europa aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.

Ob in einem der europäischen Staaten eher Armut oder Reichtum herrscht, ist immer auch eine Frage des angewandten Maßstabs. Man könnte auch sagen: Wie arm beziehungsweise wie reich wir in Europa sind, hängt im Wesentlichen von unserem Blickwinkel ab. Diesen hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unlängst genauer unter die Lupe genommen und interessante Ergebnisse ihrer Studie präsentiert.

Traditionell wird Armut oder Reichtum (auch) in EU-Mitgliedsländern anhand des jeweiligen mittleren Einkommensniveaus gemessen. In Deutschland gelten beispielsweise knapp 15 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet. Sie verfügen über weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens. Dieser nationale Maßstab berücksichtigt jedoch nicht die Unterschiede im Lebensstandard oder beim materiellen Anspruchsniveau zwischen den Ländern. Das IW hat daher eine länderübergreifende Einkommensverteilung auf Basis eines EU-weiten, kaufkraftbereinigten Medianeinkommens berechnet. Diese Methode zeigt ein deutlich anderes Bild der Einkommensverteilung und des Armutsrisikos in Europa.

Vermögenssituation in Deutschland neu beleuchtet 

Nach der neuen IW-Berechnungsmethode sind in Deutschland „nur“ (noch) gut sieben Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Das ist somit weniger als die Hälfte der Quote, die sich bei der rein nationalen Betrachtungsweise ergibt. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern steht Deutschland also ziemlich gut da. Nur in sechs Ländern ist der Anteil der relativ armen Bevölkerung nach diesem Maßstab geringer. Auch der Anteil der Deutschen, die zur Mittelschicht oder oberen Mittelschicht gehören, ist gemäß neuer Bemessungsgrundlage höher. So steigt der Anteil der relativ Einkommensreichen von 3,7 Prozent auf 8,4 Prozent. Zu dieser Gruppe zählen alle, die über ein Einkommen von mehr als 250 Prozent des Medians verfügen. 

Kaufkraftbereinigt ist ein Fünftel armutsgefährdet

Die nach kaufkraftbereinigtem Medianeinkommen gemessene Armutsgefährdungsquote in der gesamten EU beträgt rund 20 Prozent. Das sind etwa 3,5 Prozentpunkte mehr, als wenn die Daten auf Basis der nationalen Einkommen zusammengefasst werden. Im Vergleich zu einzelnen EU-Staaten hat Deutschland allerdings auch bei der kaufkraftbereinigten EU-weiten Einkommensverteilung eine relativ geringe Armutsquote. Außerdem leben bei uns auch vergleichsweise viele reiche Menschen. Nur in Österreich und Luxemburg ist der Anteil der relativ Reichen höher als in Deutschland. In Luxemburg gehören sogar 25 Prozent der Bevölkerung zur obersten Einkommensschicht der EU. Da klaffen enorme Abstände gegenüber anderen Staaten. So liegt etwa der statistisch erfassbare Vergleichswert für die Slowakei bei null.

Starkes Wohlstandsgefälle

Auch dieser Vergleich zeigt: Trotz substanzieller Einkommenszuwächse in den vergangenen Jahren besteht insbesondere in (Süd-)Osteuropa weiterhin ein starkes Wohlstandsgefälle zum EU-Durchschnitt. In fünf EU-Ländern gilt mehr als die Hälfte der Bevölkerung als armutsgefährdet, wenn das EU-weite kaufkraftbereinigte Medianeinkommen zugrunde gelegt wird. Zu diesen Ländern zählen unter anderem Ungarn und die Slowakei. Doch nach rein nationalem Maßstab gemessen gehören beide eigentlich zu den EU-Mitgliedsstaaten mit einem unterdurchschnittlichen Armutsrisiko. Insofern lässt die neue Berechnungsmethode mit Blick auf „Armut oder Reichtum?“ vor allem eine Aussage zu: es ist gewissermaßen immer auch eine Frage des angewandten Maßstabs.