Das Thema „Erben“ steckt in Deutschland in einem Zwiespalt. Zum einen werden die vererbten Vermögen immer größer und ihre Zusammensetzung komplexer. Zum anderen nimmt die Bereitschaft, sich mit dem eigenen Nachlass zu befassen und ihn vorausschauend zu planen, ab.
Das zeigt eine ganz frische repräsentative Erhebung der Deutschen Bank zusammen mit dem Institut für Demoskopie Allensbach, deren Ergebnisse gerade veröffentlicht worden sind. Nach 2015 und 2018 hat das Kreditinstitut damit zum dritten Mal untersucht, wie die Bundesbürger zur eigenen Nachlassplanung stehen.
Die Lust, sich über das eigene Ende Gedanken zu machen, ist über die Jahre laut diesen Studien weiter gesunken. Nahezu zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) beschäftigen sich ungern mit dem Erben und Vererben. Bei der letzten Erhebung im Jahr 2018 gaben nur 60 Prozent eine derartige Einstellung zu erkennen. Zwar wünschen sich 41 Prozent mehr Offenheit beim Nachlass. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Nur 32 Prozent der Erben sagten, dass im Vorfeld mit allen Beteiligten offen darüber gesprochen wurde. 2018 waren es noch 35 Prozent.
Nur ein Drittel hat ein Testament
Zwar hat sich inzwischen herumgesprochen, dass ohne Testament automatisch die gesetzliche Erbfolge greift, die nicht immer den Wünschen des Erblassers entspricht, dennoch dokumentieren noch zu wenige ihren letzten Willen. Lediglich 35 Prozent der potenziellen Erblasser in Deutschland haben laut der Deutschen-Bank-Studie ein Testament verfasst (2018: 39 Prozent). Bei den unter 50-Jährigen sind es sogar nur elf Prozent (2018: 15 Prozent). Das zeigt, dass junge Familien oft unvorbereitet sind. Aber gerade, wenn minderjährige Kinder in der Familie sind, gerät eine Erbschaft zu einer komplizierten Angelegenheit.
Bei den über 65-Jährigen haben immerhin 50 Prozent den Nachlass per Testament geregelt. Aber auch hier sank der Anteil gegenüber 2018, als es noch 58 Prozent waren. Das Durchschnittsalter beim Verfassen eines Testaments liegt heute in Deutschland bei 58 Jahren und damit zwei Jahre über dem Wert von 2018. Im Jahr 2012 waren die Bürger mit Testament durchschnittlich 55 Jahre alt. Das Testament schieben also viele Familien vor sich her. Am ehesten kommt es nach Schicksalsschlägen auf die Agenda. So halten 39 Prozent der Deutschen eine schwere Erkrankung von Angehörigen oder Freunden am ehesten für einen Anlass, über Testament und Erbschaft zu sprechen. Für 28 Prozent ist es ein Todesfall im nahen Umfeld. Familienfeiern gelten der überwiegenden Mehrheit als tabu für dieses Thema. Allenfalls 17 Prozent finden das Beisammensein in größerer Runde passend für potentielle Erblasser, ihre Vorstellungen der Familie zu erklären. Damit dürfte auch das bevorstehende Weihnachtsfest kaum für ein klärendes Gespräch in Frage kommen.
Wachsende Vermögenswerte wechseln den Besitzer
Die verbreitete Untätigkeit bei der Nachlassplanung steht im Widerspruch zu den wachsenden Vermögenswerten, die in den kommenden Jahren als Erbschaften den Besitzer wechseln. So haben im Jahr 2023 die Finanzämter in Deutschland Erbschaften und Schenkungen im Wert von 121,5 Milliarden Euro steuerlich veranlagt. Das ist laut Statistischem Bundesamt ein Rekord und fast 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Wert aller Vermögensübertragungen war sogar noch deutlich höher, da die Steuer-Statistik Erbschaften und Schenkungen nicht abbildet, die innerhalb der Freibeträge liegen. 34 Prozent der künftigen Erben rechnen heute in Deutschland mit einer Erbschaft von 250.000 Euro oder mehr, so die Studie der Deutschen Bank.
„Erben und Vererben bleibt für viele Menschen ein herausforderndes Thema“, stellt Raffael Gasser, Leiter Wealth Management & Private Banking Deutschland der Deutschen Bank, fest. Dabei zeige die Studie, dass vererbte Vermögen weiter an Bedeutung gewinnen – auch für die finanzielle Sicherheit und Altersvorsorge. „Wenn der Nachlass nicht geregelt ist, kann dies die Hinterbliebenen emotional und finanziell erheblich belasten. Unsere Erfahrung zeigt: Wer die Vermögensnachfolge frühzeitig mit Familie und Experten diskutiert und professionell gestaltet, vermeidet Missverständnisse und Konflikte – zum Wohl der Erblasser wie auch der Erben.“
Informationen über die Entwicklung der Erbschaften im Zeitraum von 2015 bis 2024 enthält auch die DIA-Studie Erben in Deutschland. Ratschläge zum richtigen Erben und Vererben finden Sie im jüngsten DIA-Ratgeber, der auch die acht häufigsten Fehler im Erbfall auflistet.