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Grundrente: Kompromiss mit Klippen

Nach dem ersten Jubel der Koalitionsparteien über den endlich erreichten Kompromiss zur Grundrente zeichneten sich schon bald gefährliche Klippen auf dem Weg zur Einführung dieser Mindestabsicherung bis 2021 ab.

Zweifel gibt es am Zeitplan und an der Verfassungsmäßigkeit der Grundrente. Erstere sind schnell erklärt: Für die Zahlung der Grundrente prüft die Rentenversicherung das Einkommen. Die Daten dafür sollen die Finanzämter in einem automatisierten Verfahren liefern.

Dieses Verfahren gibt es aber noch gar nicht. Seine Implementierung kann erst richtig beginnen, wenn per Gesetz die Details zur Grundrente feststehen. Damit ist aber wahrscheinlich erst im Frühjahr kommenden Jahres zu rechnen. So steht nicht mal ein Jahr für den Aufbau des Verfahrens zur Verfügung. Nach den Erfahrungen der Finanzverwaltung benötigt ein Projekt dieser Größenordnung aber etwa zwei Jahre.

Darüber hinaus reichen längst nicht alle Rentner eine Steuererklärung ein. Gerade jene mit geringen Einkommen unterlassen es in aller Regel. Außerdem lebt rund eine viertel Million deutscher Rentner im Ausland. Es ist kaum zu erwarten, dass sich zum Beispiel spanische Finanzämter am automatischen Datenaustausch beteiligen.

Mehrere tausend Prüfer könnten nötig sein

Aber nicht nur die Einkommensprüfung stellt die Rentenversicherung vor eine respektable Aufgabe. Schon die Feststellung, ob die geforderten 35 Jahre Versicherungszeit erfüllt sind, ist nach Aussage von Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, keineswegs trivial. Sollte kein automatisiertes Verfahren für die Prüfung der Voraussetzungen funktionieren, entsteht ein Personalbedarf von mehreren tausend Prüfern. Die Verwaltung der Stadt Berlin fürchtet jetzt schon, dass die Rentenversicherung ihr massiv Fachkräfte abwerben könnte.

Im Konflikt mit der Verfassung

Noch schwerer aber wiegen die verfassungsrechtlichen Bedenken. Zusammengefasst hat sie der ehemalige Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, Franz Ruland. Die Beschränkung auf Versicherte mit 35 und mehr Beitragsjahren macht seiner Auffassung nach die Grundrente verfassungswidrig. So benachteilige der Koalitionskompromiss Rentenversicherte gegenüber Personen, die eine betriebliche oder private Rente beziehen. Für diese wurde 2018 ein Freibetrag bei der Anrechnung auf die Sozialhilfe eingeführt. Er soll einen Anreiz für Geringverdiener schaffen, eigenverantwortlich Vorsorge zu betreiben.

Gleichheitsgrundsatz ist verletzt

„Der Koalitionskompromiss sieht zwar auch einen Freibetrag bei der Grundsicherung vor, er setzt aber auch 35 Jahre mit Grundrentenzeit voraus. Pflichtversicherte, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, gehen somit leer aus und werden so deutlich benachteiligt“, schreibt Ruland in seinem Gutachten. Das sei mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. „Der Gesetzgeber trägt für die, die er in die gesetzliche Versicherungspflicht zwingt und ihnen insoweit keine Wahl und keinen Gestaltungsspielraum belässt, eine höhere Verantwortung als für die, die ihre Altersvorsorge privat und frei gestalten können.“

Auf Lebensleistung kommt es gar nicht an

Ungerecht sei es auch, dass nicht zwischen Teilzeit und Vollzeit unterschieden werde. Das ist allein schon wegen fehlender Daten nicht möglich. Die geleistete Stundenzahl erfasst die Rentenversicherung nicht. Experten fordern daher schon seit geraumer Zeit, dass dafür ein besonderes Meldekriterium eingeführt wird. Auch die Begründung der Grundrente mit einer Würdigung der Lebensleistung zieht der langjährige Experte in Frage. Auf Lebensleistung komme es dem Vorschlag nach gar nicht an. War diese Lebensleistung, gemessen am wirtschaftlichen Erfolg, ertragreich, wird sie nicht honoriert. „Je niedriger der Ertrag, desto höher ist die Grundrente“, heißt es im Gutachten.

Lebensleistung könne man aber nicht nur am Einkommen messen, gibt Ruland in diesem Zusammenhang zu bedenken. Auch dieser Einwand spricht gegen die Grundrente. „Erbringt die Mutter, die der Kindererziehung wegen auf Erwerbstätigkeit verzichten und deshalb Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss, nicht eine in zumindest gleicher Weise zu respektierende Lebensleistung?“, fragt er. Sie bleibe auf die Leistung der Sozialhilfe angewiesen, die langjährig versichert gewesenen Rentnern unzumutbar sein soll. Das ist seiner Meinung nach willkürlich.