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Mehr Mut zu einer richtigen Rentenreform

Wieder wurde eine mögliche und nötige Rentenreform verschoben. Stattdessen nehmen die strukturellen Probleme mit den jüngsten Rentenplänen zu.

Im Prinzip gibt es drei Varianten, um vorhandene Versicherungssysteme stabil zu halten: Erhöhung der regelmäßigen Beiträge, Senkung der Ablaufleistungen, Verlängerung der Beitragszahlungsdauer. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung muss der Staat ständig Kompromisse erstellen, die eine Mehrheit in der Bevölkerung finden oder – anders gesagt – die die geringsten Abwehrreaktionen bei den Wählern hervorrufen. Leider geht es dann bei einer solchen Rentenreform selten um den größten gesellschaftlichen Nutzen.

Eine Befragung der Bevölkerung durch das Institut der deutschen Wirtschaft ergab, dass die Bürger am ehesten einer Beitragserhöhung durch eine Rentenreform zustimmen würden. Die Reduktion der Rentenleistungen erhielt die wenigsten Stimmen, aber auch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist unbeliebt. Am deutlichsten wurden Beitragserhöhungen von der Gruppe der Rentenempfänger goutiert, die davon ja nicht betroffen sind.

Die Meinung der jüngeren Generation geht in diesem Zusammenhang eher unter, weil die Wahlbeteiligung in dieser Bevölkerungsgruppe niedrig ist und sich junge Menschen bereits damit abfinden, dass die Rente nicht auskömmlich ausfallen wird. Das bewirkt allerdings auch eine entsprechende Reaktion bei den politischen Entscheidungsträgern. Wenn eine Gruppe nicht viel erwartet und nicht zur Wahl geht, steht sie auch nicht im Fokus der politischen Führung.

Kapitalgedeckte Vorsorge kommt kaum voran

In Deutschland versucht man, die gesetzliche Altersvorsorge durch staatlich geförderte Ergänzungen zu stärken. Neben vermögenswirksamen Leistungen, die seit 1984 auch in Investmentfonds investiert werden können, wurden 2001 bzw. 2005 die Riester- und die Rürup-Rente eingeführt. Nach anfänglich hohen Abschlussquoten, hauptsächlich im Versicherungssegment, ist die Euphorie abgeklungen. Störend haben sich Marktintransparenz und hohe Verwaltungs- und Abschlusskosten, die Produktkomplexität durch das Förderverfahren, schlechte Beratung, eine hohe unterstellte Lebenserwartung, die Überschussverteilung und die Starrheit der Verträge aufgrund von Beitragsgarantie und einer lebenslangen Rentenzahlung ausgewirkt. Hinzu kommen geringe Finanzkenntnisse und fehlende Vorsorgeplanung bei den Verbrauchern. Obwohl der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung mittlerweile bei über 100 Milliarden Euro liegt und 30 Prozent des Gesamthaushaltes ausmacht, debattiert man seit Jahren hierzulande darüber, ob ein kleiner Teil der gesetzlichen Altersvorsorge in Kapitalmarktanlagen investiert werden kann und kommt dabei nicht wirklich voran.

Schwedische Prämienrente als Vorbild

Dabei geht der Blick oft nach Schweden. Dort wurde die gesetzliche Alterssicherung 1998 mit einer Rentenreform zu einem beitragsorientierten Mischsystem umgebaut, bestehend aus einer größeren umlagefinanzierten Komponente (Einkommensrente) und einem kleineren kapitalgedeckten Element (Prämienrente). 16 Prozent des rentenbegründenden Einkommens fließen in die Umlagefinanzierung, weitere 2,5 Prozent in die Kapitaldeckung. Der von den Arbeitnehmern abzuführende Teil dieser Beiträge wird mit der individuellen Einkommensteuerschuld verrechnet. Additiv gibt es eine bedürftigkeitsgeprüfte Garantierente. Das schwedische Prämienrentensystem ist eine verpflichtende Teilkomponente des gesetzlichen Rentensystems.

Die Investitionsentscheidung trifft grundsätzlich der Versicherte, der aus einem Pool von zugelassenen Fonds bis zu fünf auswählen kann. Trifft der Versicherte keine individuelle Anlageentscheidung, wird automatisch eine Investition der Beiträge in einen Standardfonds durchgeführt. Die Gewichtung von Aktien- und Rentenfonds folgt dem Alter des Versicherten. Aufgrund der Skaleneffekte sind diese Fonds deutlich günstiger als deutsche aktive und passive Fonds. Zudem ist die schwedische Prämienrente obligatorischer Teil der ersten Säule. Wesentliche Glieder der Wertschöpfungskette freiwilliger Vorsorge fallen damit weg.

Experten plädieren für einfache Förderung

Deutsche Sachverständigenräte und eine Fokusgruppe private Altersvorsorge fordern, dass für breite Bevölkerungsgruppen eine Lebensstandardsicherung erfolgen sollte. Die Experten empfehlen eine einfache, transparente und leichter erklärbare geförderte private Altersvorsorge. Zur Fördersystematik empfiehlt die Fokusgruppe besonders hohe Förderquoten für untere Einkommensgruppen, junge Menschen, Eltern von Kindern oder jungen Erwachsenen in Ausbildung durch besser nachvollziehbare Zulagenformen, eine vereinfachte Kinderzulage, einen Ausbau des Berufseinsteigerbonus sowie eine Anpassung des Höchstbetrages.

Zu Rendite, Risiken und Garantien empfiehlt die Fokusgruppe, auf Garantien ganz oder teilweise zu verzichten. Insbesondere die integrierten Garantien, die sich in Deutschland einer hohen Relevanz erfreuen, sind ein erheblicher Störfaktor bei den Riester-Fondssparplänen. Die automatisierten Zwangsumschichtungen von Aktien- in Rentenfonds in Schwächephasen haben extrem negative Auswirkungen auf die Performance.

Steuern schmälern Zinseszins

Wichtig wäre es, wenn der Staat in Zeiten, in denen die gesetzliche Rente schwächelt, seine Bürger wenigstens ungestört in den Genuss des Zinseszinses kommen ließe. Leider wird die dritte, private Säule der Altersvorsorge eher gestört als gefördert. So passte der Bund den Freibetrag, innerhalb dessen sich Zinsen, Dividenden und Kursgewinne steuerfrei realisieren lassen, wiederholt an. Aktuell liegt er mit 1.000 Euro bei einem Drittel seines ehemaligen Hochs aus dem Jahr 1993 (6.000 DM bzw. 3.000 Euro) ohne Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes des Geldes.

Seit 2018 kommt bei Investmentfonds und börsengehandelten Indexfonds (ETF) noch die sogenannte Vorabpauschale hinzu. Diese ist abhängig von einem einmal jährlich von der Deutschen Bundesbank festgelegten Zins. Während der Niedrigzinsphase kam die Pauschale erst einmal nicht zum Tragen. Für 2023 lag der Zins dann bei 2,55 Prozent. Bei Verkauf von Fondsinvestments wird die bereits versteuerte Vorabpauschale zwar vom Veräußerungsgewinn abgezogen, trotzdem entzieht die Pauschale zunächst Liquidität.

Indirekt benachteiligt sind Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften. Zum einen ist in Deutschland Fremdkapital steuerlich bevorzugt, weil die Zinskosten dafür absetzbar sind, Eigenkapitalkosten dagegen nicht. Das verleitet zur Thesaurierung von Gewinnen, um das Eigenkapital zu stärken. Zum anderen werden Ausschüttungen auf Unternehmensebene und auf Anlegerseite besteuert.

Vermögensbildung auf eigene Verantwortung

Wenn man nicht Jahre warten will, bis belastbare, strukturelle Änderungen am Rentensystem vorgenommen werden, außerdem der Meinung ist, dass aus der gesetzlichen Rente nicht allzu viel zu erwarten ist, sich Flexibilität wünscht, womöglich, trotz höherer Lebenserwartung, keine längere Lebensarbeitszeit möchte oder auch eher weniger Arbeitsstunden im Monat will, kommt man nicht umhin, privat vorzusorgen und gegebenenfalls auf Konsum zu verzichten.

Lösungen für eigene Vorsorge gibt es genug. Monatliche Fondssparpläne in aktiven und passiven Investmentfonds werden bei jeder Bank angeboten und sind eine sehr flexible Option. Die Ausschüttungen sollten Sparer möglichst direkt wieder angelegen. So kann sich der Zinseszinseffekt voll entfalten. Dazu dienen Zinsen auf Sparguthaben oder aus Anleihen ebenso wie Dividenden aus Aktienengagements oder Einnahmen aus anderen Finanzinvestitionen.

Aufforderung an junge Wähler

Fazit: Insbesondere junge Menschen sollten zunächst von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, damit diese Wählergruppe an Relevanz gewinnt und der nötigen Rentenreform Nachdruck verleihen kann. Außerdem sollten junge Generationen nicht die Leistungserwartung an die gesetzliche Rentenversicherung pauschal „abschenken“. Trotzdem sollte man so früh wie möglich mit dem regelmäßigen Sparen beginnen. Dann sind Konsequenz und Disziplin gefragt. Jede Gehaltsverbesserung oder Ausgabenreduzierung sollte zumindest zu 50 Prozent zusätzlich in die Altersvorsorge fließen und zu einer Erhöhung der monatlichen Sparpläne führen.


Gastautor Andreas Görler ist zertifizierter Fachmann für nachhaltige Investments und Senior-Wealth-Manager bei der Wellinvest-Pruschke & Kalm GmbH.