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Geht der Boom der Immobilien zu Ende?

45 Jahre kannten die Zinsen an den Kapitalmärkten fast nur eine Richtung: nach unten. Das bewirkt grundsätzlich steigende Kurse bei Aktien, Anleihen und Immobilien.

In Deutschland erhielten die Immobilienpreise einen zusätzlichen Aufwärtsschub, als sich der deutsche Staat 1999/2000 aus dem Immobilienmarkt sukzessive zurückzog. Dies ermöglichte es ausländischen Investoren, größere Immobilienportfolios zu erwerben. Das Ende eines Booms muss nicht zwingend etwas Negatives bedeuten. Schließlich sind mit einem Boom, unabhängig von der Assetklasse, auch irrationale Preisentwicklungen verbunden. Eine Korrektur kann man daher auch als notwendig betrachten.

Meist sind solche Bereinigungen eine Folge von Zinsanstiegen. 2022 ist zunächst die Inflationsrate sprunghaft angestiegen. Mit einer gewissen Verzögerung legten dann die Zinsen für Immobiliendarlehen, die Zinssätze von Staatsanleihen und letztlich die Guthabenzinsen von Bankeinlagen zu. Spiegelverkehrt fielen die Preise praktisch aller gängigen Assetklassen. Dafür gibt es ein Schema: Zunächst sinken die Aktienkurse, da für Aktien ein sehr transparenter, liquider Markt vorhanden ist, wobei zinssensitive Werte wie Technologie- und Immobilienaktien überproportional fallen. Anleihekurse verlieren und die Renditen ziehen an. Auch der Goldpreis sinkt zunächst, weil der unverzinsten Edelmetallanlage wieder Zinsen bei risikolosen Einlagen und Staatsanleihen gegenüberstehen.

Immobilienmarkt reagiert verzögert

Die Immobilienpreise fallen zuletzt, weil es sich um einen eher intransparenten Markt für heterogene Wirtschaftsgüter handelt, die nur bei Kauf und Verkauf bewertet werden. Außerdem sind die Preise auf den einschlägigen Portalen lediglich Angebotspreise der Verkäufer. Gut situierte Verkäufer, die es nicht nötig haben, lassen ihre Immobilie zum Wunschpreis auf der Internetseite oder nehmen das Objekt einfach für eine Zeit komplett runter. Weiterhin ist die Abwicklung eines Immobilienumsatzes mit persönlichen Treffen der Kontrahenten, Notarterminen und häufig auch mit Kreditbeantragungen des Käufers verbunden. Dadurch entstehen Zusatzkosten und zeitliche Verzögerungen. Dagegen kann eine Börsentransaktion in Sekunden zu sehr niedrigen Spesen umgesetzt werden. Das wird gern vergessen bei der Behauptung, Immobilien seien nicht so schwankungsanfällig oder gar krisenresistent.

Preise für Wohn- und Büroobjekte fallen

Im Gegensatz zur Preisentwicklung der vergangenen 15 Jahre stellt der Verband deutscher Pfandbriefbanken fest, dass Wohnungen, Wohnhäuser und Mehrfamilienhäuser im ersten Quartal im Schnitt um zwei Prozent gefallen sind. Büroobjekte verbilligten sich im gleichen Zeitraum um 4,5 Prozent. Derzeit geht man von einem anhaltenden Trend aus.

Bestand an Baudarlehen sinkt

Auch auf Seiten der Kreditgeber zeigen sich nun Probleme. Private Immobiliendarlehen haben mit 40 Prozent zuletzt den größten Anteil im Kreditsegment deutscher Banken gestellt. Aktuell sind die Zahlen stark rückläufig. Zusätzlich gehen die Margen zurück, weil die Banken höhere Zinsen auf Einlagen zahlen müssen, während die Bauzinsen nicht unbedingt weiter steigen. Letzteres wird durch einen verstärkten Wettbewerb um die nun geschrumpfte Anzahl von Neugeschäften verhindert. Auch bei Immobiliar-Darlehensvermittlern geht die Anzahl der vermittelten Baukredite deutlich zurück. Im Durchschnitt reduzierte sich das Volumen um 48 Prozent. Einzelne Adressen haben 80 Prozent weniger Abschlüsse zu verzeichnen als im Vorjahr. Die Begründung liegt in den schnell und deutlich gestiegenen Bauzinsen, höheren Materialpreisen, mangelnden Kapazitäten bei Handwerkskräften, bauordnungsrechtlichen Vorgaben und der allgemeinen Verunsicherung unter potentiellen Käufern.

Auswirkungen auf Mietpreise

Da die Zahl der Baugenehmigungen zu niedrig ist, kann die Angebotsseite nicht schnell genug angepasst werden. Das statistische Bundesamt bezifferte die Anzahl der Baugenehmigungen im Februar auf 22.300 Wohnungen. Das waren 20,6 Prozent weniger als im Jahr davor. Insbesondere der soziale Wohnungsbau leidet darunter. Daher suchen potenzielle Käufer verstärkt nach Mietwohnungen. Das wiederum treibt die bereits gestiegenen Mietpreise weiter nach oben.

Randlagen günstiger, aber mit Nachteilen

Um den Immobilienwunsch zu verwirklichen, gehen Käufer bei der Lage Kompromisse ein und ziehen in das Umland. Weil es aber an interessanten Jobs fehlt und die Bevölkerung überaltert, droht ländlichen Regionen die Verödung. Der Arbeitsweg ist mit Pendelverkehr verbunden, Kindergärten, Schulen und kulturelles Angebot sind oft nicht vorhanden. Außerdem sind Bestandsobjekte meist nicht energetisch saniert. Käufer sollten neben der Finanzierbarkeit prüfen, ob die Infrastruktur stimmt, welche Energieklasse das Objekt hat, ob in der Region Wirtschaftswachstum stattfindet und die Altersstruktur der Bevölkerung passt.

Geduld gefragt, Risiken nicht unterschätzen

Im Moment ist es für Interessenten sicherlich frustrierend, dass praktisch gleichzeitig Kaufpreise und Wohnungsmieten auf einem hohen Level liegen, Kreditzinsen in kurzer Zeit gestiegen sind und die Bautätigkeit niedrig ist. Gerade in solchen Phasen sollte nicht unterschätzt werden, dass erhebliche finanzielle Risiken entstehen können, wenn man sich finanziell verhebt. Noch immer liegt die Gesamtfinanzierungsdauer einer Immobilie etwa bei 26 Jahren. Daher sollte die obligatorische Selbstauskunft, die für Kreditanfragen benötigt wird, stets ehrlich ausgefüllt werden. Aus der vorhandenen freien monatlichen Liquidität resultiert eine maximale Kreditrate. Sie führt zum maximalen Kaufpreis.

So ist es derzeit besser abzuwarten, da die Immobilienpreise immer noch fallen können und der Staat es gegebenenfalls doch noch schafft, Baugenehmigungen bzw. die Bautätigkeit zu forcieren. Eine andere Option besteht darin, kleiner und kompakter zu denken und sich mit Tiny- oder Smarthäusern zu beschäftigen. Hier gibt es modulare Lösungen, die später ergänzt und erweitert werden können.


Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager und zertifizierter Fachmann für nachhaltige Investments bei der -Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.