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Wie Jugendliche zu mehr Finanzwissen gelangen

Angebote, die jungen Menschen Finanzwissen vermitteln, gibt es zahlreich. Doch warum steht es immer noch so schlecht um die ökonomische Bildung von Teenagern?

Das schlechte Finanzwissen von Jugendlichen wird hierzulande oft kritisiert. Passende Angebote seien rar gesät. Tatsächlich gibt es jedoch genug Möglichkeiten für junge Menschen, sich im Bereich Finanzen weiterzubilden. Darauf macht Berufsschullehrer Peter Kührt aufmerksam. Er initiierte bereits zahlreiche solcher Projekte für Schüler wie den Anlage-Coach oder den YouTube-Chanel FinanzChecker. Doch seiner Meinung nach wird es ganz ohne staatlichen Willen nicht funktionieren. Im DIA-Interview erklärt er, warum.

Herr Kührt, wie können Jugendliche die bereits zahlreich existierenden Angebote besser und häufiger nutzen?

Hoch sind bislang nur die Zugriffszahlen auf einige TikTok-Videos von vier oder fünf Finanz-Influencern, die sich aber vor allem an bereits informierte junge Geldanleger im ETF-, Aktien- oder Kryptobereich wenden. Wenn man die Zugriffszahlen für Websites erhöhen möchte, die ausführlicher als einminütige TikTok-Videos informieren, dann wäre ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig:

Geht der Weg zu mehr Finanzwissen also zwangsweise über die Schulen?

Natürlich wäre es zwingend erforderlich, in den Schulen mehr Finanzwissen und überhaupt ökonomisches Wissen zu vermitteln. In vielen Bundesländern gibt es solche Inhalte überhaupt nicht oder nur als Mini-Anteil. Selbst an vielen Gymnasien und Realschulen erfahren die Schüler kein Wort über Mietverträge, Autoleasing, Kaufverträge, Versicherungen, Alterssicherung, Kredite oder eben Geldanlage. Große Teile unseres täglichen Lebens sind in den Lehrplänen überhaupt nicht oder nur marginal abgebildet.

Große Teile unseres täglichen Lebens sind in den Lehrplänen nicht abgebildet.

Andererseits wäre es natürlich naiv zu glauben, dass Schüler tatsächlich alles wissen, was im Unterricht vorkam. Zudem liegen die Anwendungssituationen für das erworbene Wissen vielfach viele Jahre nach der Schulzeit, wie zum Beispiel die Kreditfinanzierung beim Immobilienerwerb. Daher ist es zwingend erforderlich, den Jugendlichen und späteren jungen Erwachsenen Bildungsangebote zu machen, die in der Bedarfssituation verfügbar sind.

Wie müssen Finanzthemen aussehen, um Jugendliche anzusprechen?

Finanzthemen sind nicht zwangsläufig trocken und wenig sexy. Sie müssen nur spannend, personifiziert und authentisch sein. Dies kann eine Fortsetzungsgeschichte, eine Challenge, ein Anlegerporträt, ein Suchspiel, eine Wette, eine Untersuchung, ein Echtgeld-Musterdepot, ein Live-Interview mit einem Fondsmanager oder ein Zusammentreffen mit Azubis in einer Bank- oder Versicherungsfiliale sein. Hat man erst einmal Zugang zu Wirtschaftsthemen gefunden, dann ist die Welt der Finanzen genauso spannend wie die der europäischen Königshäuser.

Jugendadäquate Formen bringen wenig. Jugendliche wollen wie Erwachsene behandelt und informiert werden.

Gerade die neuen Kostenlos-Depotkonten der Neo-Broker mit ihren niedrigschwelligen Anlagemöglichkeiten und ihren Internetformen haben im Übrigen bewiesen, dass auch Geldanlage schick, trendy und ein attraktiver Gesprächsstoff für junge Menschen sein kann. Hier muss man eher darauf achten, dass die vermeintlichen Gewinnchancen hoch spekulativer Anlagen die jungen Menschen nicht zu ruinösen Investments verführen.

Sehen Sie die Bundesregierung in der Verantwortung, dass Thema Finanzwissen anzugehen?

Ja, eindeutig! Die deutsche Bildungslandschaft, auch im Netz, ist völlig zersplittert. Jedes Bundesland, jede Region, oftmals sogar jede Schule haben eigene EDV-Systeme und verfolgen unterschiedliche Unterrichtsziele und -konzepte. Inzwischen stellen im Bereich der Finanzbildung sogar private Anbieter wie die Joachim-Herz-Stiftung mehr Inhalte und Unterrichtskonzepte zur Verfügung als alle Bundesländer zusammen. Andere Stiftungen gehen in die Schulen, um einer frühzeitigen Verschuldung der Jugendlichen entgegenzuwirken. Selbst meine eigene Schule hat mit ihren Schülerprojekten inzwischen mehr Informationen zur Geldanlage im Netz als die meisten staatlichen Bildungsserver.

Von der Bundesregierung kommt hierzu bislang überhaupt nichts. Nur die Deutsche Bundesbank hat Materialien für Lehrer und Schüler im Netz. Wenn die Bundesministerin für Bildung und Forschung nur einen Bruchteil der 630 Millionen Euro für die voraussichtlich völlig überflüssige „Nationale Bildungsplattform“ in die Förderung von Lern- und Informationsangeboten zur Finanzbildung steckt, dann wären die Gelder vermutlich sinnvoller verwendet.


Dr. Peter Kührt ist Berufsschullehrer für Bankkaufleute und langjähriger Beauftragter für EDV-Fortbildung beim Amt für Berufliche Schulen der Stadt Nürnberg. Er initiierte bereits zahlreiche Uni-, Schul- und Schülerprojekte mit dem Ziel, vernünftige Informationen zur Geldanlage für Jugendliche online zu stellen. Zudem ist Kührt Mitbegründer des Nürnberger Kultur- und Bildungsservers kubiss.de, ein gemeinnütziger Verein, der insbesondere das Projekt „Schulen ans Netz” tatkräftig unterstützt.