Auf der Handelsplattform Coinbase sind in Deutschland aktuell etwa 1.800 Kryptowährungen handelbar.
Die Plattform Bitpanda aus Österreich wirbt gerade mit Profisportlern in TV-Spots. Auf der Internetseite profiliert man sich unter anderem mit „schwer zu findenden Krypto-Coins“. Die Plattform hat mittlerweile auch in Großbritannien Lizenzen erworben. In den USA hat der amtierende Präsident einen fulminanten Sinneswandel hingelegt und mutierte von 2021 von einem Krypto-Gegner zu einem echten Krypto-Fan im Wahlkampf, inklusive der Idee, Bitcoin und andere Kryptowährungen auch als Reserve für die Notenbanken zu verwenden. Letzteres könnte wohl auch damit zusammenhängen, dass die Krypto-Branche mit 250 Millionen US-Dollar der größte Wahlkampfspender der Republikaner war, allen voran Coinbase-Chef Brian Armstrong.
Damit nicht genug, wurde auch kurz nach der Wahl eine Meme-Währung mit dem Konterfei des amerikanischen Präsidenten bzw. seiner Ehefrau auf den Markt gebracht. Zur Erinnerung, Meme-Coins basieren grundsätzlich auf einem humoristischen oder ironischen Ansatz und setzen den Fokus hauptsächlich auf die eigene Community. Hierbei geht es praktisch ausschließlich um Spekulation, was in diesem Segment zu einer noch höheren Volatilität führt als ohnehin schon vorhanden.
Endloses Story-Telling. Dabei wurden insbesondere Bitcoins zunächst als Online-Zahlungsmittel angepriesen, das vom Finanzsystem unabhängig ist. Auch die Vergleiche mit Rohstoff- bzw. Goldinvestments wurden und werden immer wieder bemüht. Ebenso ist der Begriff „Wertspeicher“ in diesem Zusammenhang völlig deplatziert. Dafür sind die bisherigen Wertschwankungen viel zu hoch.
Kein „innerer Wert“. Während es bei klassischen Investments wie Aktien oder Anleihen bis zu 200 Unternehmensdaten gibt, die mittlerweile frei verfügbar sind, aus denen man Rückschlüsse über den Substanz- und Ertragswert seines Investments ableiten kann, existiert bei Krypto-Währungen nichts Vergleichbares. Es gibt keine Zinsen oder Dividenden, keinen Cash-Flow, keine bewertbaren Substanzwerte wie Immobilien, Industriemaschinen oder Patente, kein Auftragsvolumen, das einen Ausblick in die Zukunft erlaubt. Ebenso fehlt es an einem sozialen Nutzen und an echter Produktivität.
Blockchain entwickelt sich nicht wie erwartet
In diesem Zusammenhang wurde stets darauf verwiesen, dass zumindest die notwendige Blockchain-Technologie an Bedeutung gewinnt. Davon ist aber bisher wenig zu spüren. Bekannte Adressen wie die deutsche Bahn, die Commerzbank oder Kühne & Nagel haben Pilotprojekte komplett eingestellt oder verfolgen diese nur minimalistisch weiter.
Nun könnte man argumentieren, dass deutsche Unternehmen ja sowieso immer technologisch hinterherhinken. Erstens stimmt das grundsätzlich nicht, deutsche Firmen verpassen eher die Phase, um mit eigenen Entwicklungen richtig viel Geld zu verdienen. Zweitens ignorieren amerikanische Firmen wie Apple, Microsoft, Alphabet, Oracle das Thema komplett bzw. erkennen darin keine Relevanz für ihr Geschäftsmodell. Nur die Handelsplattformen wie Binance, Coinbase oder Kraken machen damit sehr profitable Geschäfte.
Etliche prominente Betrugsfälle
Problematische Auswüchse zeigen sich beispielsweise in der mittlerweile klar als größter Krypto-Betrug deklarierten „One-Coin-Story“. Obwohl die ehemalige, zwischenzeitlich für tot erklärte und mittlerweile mit einem Lösegeld von 5.000.000 US-Dollar gesuchte Geschäftsführerin Ruja Ignatova und ihr Geschäftsmodell recht früh als Schneeball-System entlarvt wurden, werben neue Geschäftsführer immer noch weltweit Millionenbeträge von Menschen ein, die einfach daran glauben wollen, dass man über Nacht reich wird, wenn man nur die „richtige Kryptowährung“ kauft. Das ist dann sogar schon keine Spekulation mehr, sondern hat eher sektenhafte Züge. Von Investition ist in diesem Zusammenhang längst keine Rede mehr. Auch das „charismatische Genie“ Sam Bankman-Fried legte mit der Plattform FTX eine spektakuläre Pleite hin. Er betrog die eigenen Kunden und sitzt jetzt 25 Jahre in Haft.
Aktuell hohes Handelsvolumen
Trotz allem ist das Interesse derzeit ungebrochen hoch. Insbesondere Privatanleger möchten immer noch auf den Zug aufspringen. In den USA handelt es sich auch um ein Klientel, das tendenziell bereits höhere Konsumentenkredite aufgebaut hat. Es hofft eventuell darauf, den Saldo nun schnell auszugleichen. Wenn das schief geht, ist der Vermögensschaden überproportional hoch.
Jedem sollte aber auch etwas anderes klar sein. Wenn ein Gut wie Bitcoin im Preis steigt, weil es über einen Algorithmus künstlich verknappt wird, sollte man sich die Frage stellen, ob man im Hoch auch verkaufen kann. Schließlich muss ja jemand da sein, der einem den Bitcoin zu beispielsweise einer Million US-Dollar/Stück auch abnimmt. Wenn ein Verkaufsdruck entsteht, geht es dann eben auch schnell nach unten. Dann wird man sehen, ob die vorhandenen Handelsplattformen auch in der Lage sind, große Volumen mit vielen Einzel-Orders schnell abzuwickeln. Von dem Timing-Problem, was es bei jeder Assetklasse gibt, gar nicht zu reden.
Nur mit Risikobudget in bekannte Währungen
Sofern man sich als Privatanleger überhaupt damit beschäftigt, sollte man sich auf die Währungen fokussieren, die schon etwas länger am Markt sind und nicht auf den vermeintlichen „Volltreffer“ setzen, den heute noch niemand kennt. Wobei schon die Annahme, dass man der Einzige ist, der von dem neuesten Hit etwas mitbekommt, an Naivität nicht zu überbieten ist.
Außerdem ist es grundsätzlich sinnvoller, dann entsprechende Zertifikate, zum Beispiel Coinshares XBT Provider, über die Börse zu erwerben, die schon seit Jahren vorhanden sind und auch relativ liquide gehandelt werden können. Die Kosten, die für den Kauf und innerhalb des Finanzproduktes berechnet werden, sind im Vergleich zu den offensichtlich vorhandenen Wertsteigerungsoptionen lächerlich niedrig.
Fazit: Wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt auf etwas setzt, ist das eher die Wette darauf, dass Krypto-Währungen von den Notenbanken als Reserve-Währungen akzeptiert und höhere Positionen aufgebaut werden. In den USA wird derzeit ein entsprechender Druck aufgebaut. Die Zentralbanken wären dann letztlich gezwungen, Märkte zu stützen, wenn es knallt und die Spekulationsblase platzt, das wird dann aber gegebenenfalls auch für etablierte Marktsegmente spaßfrei. Ein vernünftiges Portfolio sollte aus Aktien und Anleihen bzw. entsprechenden Fonds bestehen. Ist noch ein Risikobudget übrig, sollte dies klar definiert und eingehalten werden. Nur diese Beträge sind dann für Anlagen mit stark erhöhtem Risiko einzusetzen, sonst gefährdet man seine Altersvorsorge. Keinesfalls sollten hochspekulative Anlagen aber aus Krediten oder Kontoüberziehungen finanziert werden.
Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager und zertifizierter Fachmann für nachhaltige Investments bei der -Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH.