Zähe elf Jahre lang mussten Anleger darben, dann war es so weit: In nur zwei Jahren legte Gold vom Herbst 2022 an 70 Prozent im Wert zu. Wer in Edelmetalle investiert, braucht unter Umständen also eine gehörige Portion Geduld.
Dennoch können Gold, Silber & Co. ein Aktiendepot sinnvoll ergänzen, weil sie ein gewisses Eigenleben führen. Das zeigte sich von 2000 bis 2011, als der Goldpreis mit kurzen Pausen mehrere hundert Prozent zulegte. Gut möglich, dass nun erneut eine solche Phase begonnen hat.
Über Gold kursieren einige Missverständnisse: Die einen bezeichnen es als „das Krisenmetall“, das immer dann zulegen soll, wenn es auf der Welt zu Systemkrisen oder Spannungen kommt. Dies kann so sein, muss es aber nicht. So fiel der Goldpreis im Zuge der Finanzkrise 2008 über ein paar Monate hinweg um satte 30 Prozent. Aus Sicht der anderen steigt der Goldpreis ebenso automatisch dann, wenn die Inflation anzieht. Dann hätte das Edelmetall 2021/22 im Wert steigen müssen, als die Geldentwertung zu immer neuen Höhen strebte. Es geschah jedoch das Gegenteil: Von März bis Oktober 2022 verloren Gold-Anleger (in Dollar) gut 20 Prozent. Erst danach begann das Edelmetall seinen Anstieg um bislang 70 Prozent.
Geldmenge und Realzins sind entscheidend
Auf was reagiert der Goldpreis dann? „Edelmetalle sprechen in erster Linie auf Veränderungen bei den Realzinsen und der Geldmenge an“, sagt Joachim Rädler von der Vermögensverwaltung steinbeis & häcker in München. Diesen Zusammenhang gebe es, weil vor allem Gold wegen seiner jahrtausendelangen Geschichte heute noch als Währung betrachtet wird, die in der Lage ist, den Wert einer Investition auf Dauer zu erhalten. Konsequenz: Erhöhen die Notenbanken die Geldmenge oder sinkt der Realzins – das ist die Differenz zwischen Nominalzins und Inflationsrate – verschafft das dem gelben Metall Rückenwind. „Werden die Nominalzinsen wie 2022 erhöht oder die Geldmenge verringert, bläst den Gold-Besitzern zuweilen ein scharfer Wind ins Gesicht“, so der bankenunabhängige Vermögensverwalter.
Geldmenge gibt den Bass, der Realzins die Melodie
Vor diesem Hintergrund lassen sich die länger- und mittelfristigen Preisbewegungen bei Gold tatsächlich besser verstehen. So hat sich die Geldmenge in den USA, die für das in US-Dollar gehandelte Gold ausschlaggebend ist, seit dem Jahr 2000 etwa verfünffacht. Dieser Zuwachs, der erst 2022 leicht gebremst wurde, sorgte im letzten Vierteljahrhundert im Hintergrund für den längerfristigen Preisauftrieb. „Das Auf und Ab der Nominalzinsen in Verbindung mit der Inflationsrate erklärt, warum sich der längerfristige Aufwärtstrend phasenweise abschwächt oder verschärft“, sagt Markus Lautenschlager von BV&P Vermögen in Kempten. Wenn man so will: Die Geldmenge gibt in diesem Konzert den Bass, die Realzinsen sorgen für die Melodie.
Zinsen und Goldpreis im Wechselspiel
Der mittelfristige Zusammenhang zwischen Leitzinsen und Goldpreis wird in einem kurzen Rückblick (Auswahl) deutlich:
- Von 2000 bis 2003 senkt die US-Notenbank die Leitzinsen von sechs auf ein Prozent, um die Wirtschaft nach dem Dot-com-Crash wieder in Gang zu bringen. Der Goldpreis klettert von 2000 bis 2006 von rund 300 auf 1.000 Dollar.
- Von 2004 bis Ende 2006 erhöht die Federal Reserve die Zinsen von einem auf fünf Prozent, weil die Wirtschaft zu sehr brummt. Der Goldpreis fällt 2006 um rund ein Viertel.
- Von Mitte 2007 bis Ende 2008 senkt die Fed erneut die Zinsen von fünf auf diesmal null Prozent. Der Goldpreis verdoppelt sich bis zur Finanzkrise, die 2008 beginnt.
- Von 2009 bis 2015 bleiben die Leitzinsen bei de facto null Prozent: Der Goldpreis verdreifacht sich nach einem Shake-Out in der Finanzkrise von Ende 2008 bis Ende 2011.
Covid, Inflation und Zinszyklen
Ein ähnliches Muster ist nach Lautenschlagers Worten während der Covid-Pandemie, der Inflationsphase und bei den Zinserhöhungen 2022/23 zu beobachten. „2019 werden die Zinsen von gut zwei auf null Prozent gesenkt, zudem steigt die Geldmenge 2020 stärker an als zuvor. Der Effekt für das Edelmetall: Gold steigt in zwei Jahren von 1.200 auf 2.000 Dollar – ein Plus von gut 65 Prozent“, blickt der bankenunabhängige Vermögensverwalter zurück. 2022 geht es wegen der Zinserhöhungen mit dem Goldpreis nach unten. Mit dem Ende jenes Zins-Zyklus und den ersten Zinssenkungen 2024 schießt der Goldpreis von 1.600 auf 2.600 Dollar hoch. Fazit: Geldmenge und Realzinsen bilden also ein Duett, das den Goldpreis maßgeblich beeinflusst hat und weiter beeinflussen wird.
Doch wie können Anleger von diesen Zusammenhängen am besten profitieren bzw. damit ihr Vermögen schützen? Welcher Teil des Vermögens sollte auf Gold, Silber & Co. entfallen? „Anleger sollten bedenken: Edelmetalle erwirtschaften im Gegensatz zu Aktien oder Anleihen weder Dividenden noch Zinsen. Damit bleiben ausschließlich höhere Preise als Ertragsquelle übrig“, gibt Joachim Rädler zu bedenken. Aus Sicht des Vermögensverwalters sollte sich eine vernünftige Gold-Quote im Depot zwischen zehn und 15 Prozent bewegen, wovon je nach Vorliebe ein kleinerer Teil auf Silber, Palladium oder Platin entfallen könne. Für Gold spreche die vermutlich anhaltende Steigerung der Geldmengen, aber auch das Zusammenspiel mit anderen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen. „Edelmetalle, vor allem Gold, können dem Wertpapierdepot mehr Stabilität verleihen“, so Rädler.